Die Paten: Abraham
a Sancta Clara, H.C. Artmann, Ernst Jandl, Roland Neuwirth beispielsweise.
Dort, wo die anderen aufhören, dort fängt DES ANO erst an. Im Gegensatz zu vielen Formationen, die im Wiener Dialekt schreiben, kokettiert die Gruppe nicht mit dem Abgründigen, sie lotet es aus. Schonungslos. Bis zum Bodensatz. Schwarz ist nicht der Rahmen - wie bei einem Partezettel -, schwarz ist das Zentrum - wie bei einer Schießscheibe. "Des Ano"-Lieder treffen mitten ins Schwarze. Warum? Es ist nicht die Tradition der mit dem Tod liebäugelnden Wienerlieder, der sich "Des Ano" verschrieben hat. Vielmehr stehen wortgewaltige Radikale Pate wie der Prediger Abraham a Sancta Clara oder die Dichter Konrad Bayer, H.C. Artmann und Ernst Jandl. Pathos und Sentimentalität scheut die fünfköpfige Band wie der Teufel das Weihwasser, Zucker und Schlagobers gibt es nicht als Draufgabe, nicht ums verrecken. Lieber legt sie ein Schäuferl nach und macht uns die Hölle noch heißer. Wie? Mit Worten. "Des
Ano"-Texte sind literarische Texte. Sie funktionieren auch ohne Musik.
Nur mit Musik, mit dieser Musik, funktionieren sie noch besser. Die Musik des Geigers und Komponisten CLAUS RIEDL steht den Texten Grubers an Gnadenlosigkeit in nichts nach. Die Schrammel-Besetzung mit Geige, Harmonika und Contragitarre weist zwar ins Wienerische, aber das lässt das einst jüngste Mitglied der WIENER PHILHARMONIKER weit hinter sich. Riedl spannt die Töne über die Abgründe der Texte bis zum Zerreissen, lädt sie elektronisch auf und geht damit bis zur Schmerzgrenze. Unterstützt wird er von einem der besten Harmonika-Spieler des Landes, WALTHER SOYKA ("Neuwirth Extremschrammeln") und dem so vielseitigen wie exzellenten Contragitarristen PETER HAVLICEK ("Neue Wiener Concert-Schrammeln"). TRAUDE HOLZER, die gemeinsam mit Peter Havlicek als das Duo STEINBERG UND HAVLICEK das Wienerlied renoviert, grundiert den Sprechgesang Grubers gesanglich. Sprechgesang? Max Gruber hat den Rap neu definiert: "RAP" steht bei "Des Ano"für "Rhythmisch ausgeführte Poesie". In diesem "RAP" rückt "Des Ano" dem Wienerlied zu Leibe. Es wird demontiert, zerschnipselt, durchleuchtet, seziert, durch den Dreck gezogen und wieder abgespritzt. Es wird zu Ende gedacht. So wird aus dem "Fiakerlied" der "Rafnschdecha", der sich am Ende gar nicht mehr mit dem Aufschlitzen von Reifen begnügen möchte. "Wien, Wien, nur du allein" deckt die picksüße Verlogenheit der Wiener Nostalgie auf und "Doderers Nachtgebet" ist durch HEIMITO VON DODERERS Ausspruch inspiriert, nach dem das nüchterne Betrachten der Verhältnisse der Welt inhaltlich vollkommen dazu berechtigt, mit schwerstem Alkoholismus zu reagieren. Text:
Mirjam Jessa (Expertin für "Musik aus allen Richtungen") |